Improvisations-Methode / Passacaglia

„Einstieg in die stilgebundene Improvisation am Tasteninstrument anhand der barocken Passacaglia“

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Ich heisse Sie herzlich willkommen zu meinem Vortrag  / Tutorial mit dem Titel „Einstieg in die stilgebundene Improvisation am Tasteninstrument anhand der barocken Passacaglia“. 

In diesem Tutorial möchte ich Ihnen eine von mir entwickelte Methode vorstellen, die einen systematischen, konkreten, praktischen und intuitiven Zugang zur stilgebunden Improvisation am Tasteninstrument ermöglicht.

 

Meine Methode fusst auf dem aktuellen Modell- bzw. Schematadiskurs, wie er in der Musikhochschule Freiburg und anderenorts in den letzten Jahren entwickelt worden ist.
 Meine Methode ist in gewissem Sinne historisch und zeitgenössisch zugleich, indem sie versucht, eine historisch verlorene Praxis durch den Anschluss an den aktuellen musikalischen Diskurs zu rekonstruieren.

 

Ich werde die barocke Passacaglia-Form nutzen, um zu demonstrieren, wie man mit Hilfe verschiedener rhythmischer und melodischer Variationsformeln erste Schritte zum spielerisch-kreativen Umgang mit barocken Satzmodellen finden und anfängliche Hemmungen in Bezug auf die stilgebundene Improvisation abbauen kann.

 

Nach einigen einführenden Worten über die Improvisation und zur Wahl des heutigen Themas werde ich Ihnen einen kurzen Überblick über meine Methode und die Hintergründe dazu liefern. 

Das Spektrum der Improvisation in der barocken Musik reicht von der spontanen Verzierung, der Ausschmückung und Abwandlung vorgegebener Melodien, der harmonischen Variation bekannter Lieder über die stilgebundene spontane Aussetzung bis hin zur Erfindung ganzer Werke aus dem Stegreif.

 

Entgegen weit verbreiteten Vorurteilen, muss einem das Improvisieren nicht „in die Wiege“ gelegt worden sein, es ist zum grössten Teil eine erlernbare Fertigkeit, die sich gezielt trainieren lässt. Lediglich der Grad der Originalität hängt von der Begabung ab.

 

Eine wesentliche Voraussetzung zum Erlernen stilgebundener Improvisation ist das Training musikalischer Bausteine, die als Spielreflex abrufbereit in allen wichtigen Tonarten zur Verfügung stehen und spontan kombiniert und erweitert werden können.

 

Um überhaupt mit dem Improvisieren beginnen zu können, muss zunächst eine Ausgangsbasis geschaffen werden, mögliche Bausteine, eine Aufgabe, ein Satzmodell, eine Melodielinie, eine Gerüst. 


Später können eigene Formen und Abläufe aus den bereits bekannten und geübten Bausteinen und Modellen kreiert werden.

 

Es gilt also zunächst, dem Spieler ein Repertoire an Formeln und Bausteinen zur Verfügung zu stellen, mit dem er eigenständig weiterarbeiten kann. 


 

Dies zu tun, ist Ziel meiner Methode, die ich Ihnen hier vorstellen möchte.


Mein zentrales Anliegen mit dieser Methode ist es, historische Theorie für den heutigen Praktiker auf eine Weise zugänglich zu machen, welche die improvisatorische Praxis  als wesentlichen Verbindungspunkt einbezieht und neue Wege für die aktuelle Hochschullehre eröffnet. 
Für den Studenten der musiktheoretischen Fächer wiederum soll die Methode eine praktische Ergänzung darstellen, mit deren Hilfe er sein theoretisches Wissen stärker und kreativer mit der Praxis verbinden kann.

 

Die Vorteile der Beschäftigung mit der stilgebunden Improvisation sind so zahlreich, dass man ihren Wert nicht leugnen kann:

Sie verbindet sämtliche wichtigen Aspekte und Lernbereiche des Musizierens miteinander:

 

Sie fördert die musikalische Wahrnehmung, das Hörverständnis, das analytische Verständnis, das innere Hören, die instrumentale Technik und den kreativen, eigenständigen Umgang mit Musik.

 

Darüber hinaus nimmt sie durch all diese Punkte indirekt auch Einfluss auf die Interpretation bereits notierter Werke, fördert das Blattspiel, ist notwendiger Bestandteil einer historisch informierten Aufführungspraxis und bietet nicht zuletzt auch neue Wege für die Bühnenpräsenz im heutigen Konzertbetrieb.

 

Der Musikmediziner Eckhart Altenmüller bestätigt den pädagogischen Wert der Improvisation, indem er betont, dass man  beim Improvisieren mehr Gehirnareale einbezieht als beim rein reproduktiven Musizieren.

 

Angeregt durch meine Überlegungen zu den Grundvoraussetzungen für stilgebundene Improvisation - namentlich: 

 

technische Fertigkeit am Instrument, satztechnische musikalische Kenntnisse, bzw. Bausteine und eine ungehemmte, offene Geisteshaltung, welche Zugang zur Kreativität ermöglicht - habe ich praktische Übungssequenzen entwickelt, die auf folgenden 3 methodischen Kernelementen basieren:

Erstens:

Simpler und logischer Aufbau.
Dieser ermöglicht ein schnelles Verständnis und rasche Umsetzung des Lerninhaltes und baut - gerade zu Beginn - Hemmungen und Ängste ab.

 

 

Zweitens:

Repetitiver Charakter.
Mentale Durchdringung, Verarbeitung und Verankerung von Lerninhalten und spieltechnischen Reflexen benötigt Zeit und basiert hauptsächlich auf Wiederholung. 

 

Drittens:

Sukzessive Variation innerhalb der Repetition.
Durch die sukzessive Variation wird ein breites Diminutions-Repertoire zur Improvisation zur Verfügung gestellt und der Kern des in der Übung dargestellten Satz-Modells schält sich intuitiv klar heraus. 

Methode

 

 

Als Ausgangs-Basis für meine Methode habe ich einen Katalog an rhythmischen und melodischen Variationsformeln zusammengestellt. 


In der Terminologie schliesse ich mich hier der spezifischen Tradition der deutschsprachigen Musiktheorie des 17. und frühen 18. Jahrhunderts an.

 

Die Innovation meiner Methode besteht in der systematischen Ordnung und Anwendung dieser musikalischen Bausteine in Verbindung mit unterschiedlichen Satzmodellen sowie in der Verbindung von technischen Etüden mit improvisatorischem Satzmodell-Training.

 

Die Variationsformeln werden in längeren, ostinatoartigen Übungssequenzen zunächst auf einfache Tonleitern und technisch vorbereitende Übungen angewandt, später auf verschiedene, im Schwierigkeitsgrad zunehmende Satzmodelle, auch in Transposition.

 

Alle Übungen und Modelle können zunehmend eigenständig kombiniert, und erweitert werden - bis hin zur Entwicklung grösserer Formen und ganzer Werke.

 

Ziel der Übungssequenzen ist es, theoretische, satztechnische Inhalte intuitiv in der Praxis be-greifbar zu machen und ein möglichst umfangreiches und buntes Repertoire an improvisatorischen Bausteinen zur Verfügung zu stellen, die anschliessend für die Improvisation genutzt werden können.

Ich möchte Ihnen kurz die positiven Effekte der Methode erläutern:

 

Erstens:

Die mentale Repräsentation der Lerninhalte wächst - Spieltechnik und Blattspiel verbessern sich.

 

Das Wiederholte wird als mentale Einheit, als „musikalische Vokabel“, als senso-motorischer Reflex ins Langzeitgedächtnis aufgenommen. 
Grundmodelle, Varianten, Abweichungen und Transpositionen werden geübt und können im Folgenden sowohl aktiv hörend erkannt als auch bei der Improvisation, beim Blatt- und Literaturspiel direkt angewandt werden.

 

Zweitens:

Die Motivation zur regelmässigen und intensiven Durchführung der Übungen steigt exponentiell an, da der Nutzen nicht nur für die Improvisation selbst, sondern auch für das reguläre Literaturspiel erkannt wird.

 

Drittens:

Das stilistisch-ästhetische Gespür entwickelt sich.

Intuitiv werden beim Spielen im direkten Vergleich schöne und weniger schöne Varianten wahrgenommen und mental eingeordnet.

 

Viertens:

Die Förderung von Konzentration und Flow.
Durch den repetitiven, ostinatoartigen Charakter der Übungen in Verbindung mit sukzessiver Variation ist es möglich, im sogenannten „Flow-Kanal“ zu navigieren. Es entsteht eine Balance zwischen Unter- und Überforderung, die es laut dem Flow-Forscher Mihály Csíkszentmihályi ermöglichen kann, beim Üben in den sogenannten „Flow-Zustand“ einzutauchen, welcher als äusserst lernfördernd und motivierend gilt. 


 

Fünftens:

Die Entwicklung des inneren Hörens.

Die Übungen gehen durch die stete Wiederholung in’s Ohr.
Akustisches Phänomen und mentale Vorstellung sowie spieltechnischer Reflex verbinden sich zu einer Einheit.

 

Sechstens:

Die Lust und der Antrieb zur Improvisation steigen.


In der Arbeit mit meinen Studenten hat sich gezeigt, dass mit zunehmender Übung der ausgeschriebenen, vorgegebenen Varianten der kreative Prozess exponentiell angekurbelt wird. Durch den repetitiven Charakter der Übungen entsteht eine Art „Ohrwurm“.

Im inneren Nach-Hören, das hierdurch enorm angeregt wird, entstehen spontan neue Kombinationen und eigene Varianten. Ein erster mentaler Zugang zur Improvisation wird so geebnet.

Rhytmische Variationsformeln 

 

 

Im folgenden präsentiere ich Ihnen eine Auswahl der rhythmischen und melodischen Variationsformeln, die als Grundbausteine für den improvisatorischen Umgang mit vorgegebenem musikalischen Material dienen können. 

Um diese verschiedenen Variationsformeln einzuführen, habe ich eine einfache, abwärtsgerichtete C-Dur-Tonleiter gewählt. 
Sie eignet sich an dieser Stelle besonders gut, da sie nur Tonschritte enthält - wie später auch der vorgestellte Passacaglia-Bass - und die Formeln jeweils innerhalb einer musikalischen Entität vorgestellt werden können.

 

Ich werde zunächst die rhythmischen Variationsformeln präsentieren. 

Für diejenigen, die es interessiert, habe ich einige historische Zitate zum Lesen eingefügt (siehe Skript).

Die einfachste und naheliegendste rhythmische Variation eines Tones besteht darin, ihn in zwei gleiche Teile zu spalten und z.B. aus einer Halben Note zwei Viertel zu machen.

 

Diese Variationsformel nennt man „Spondaeus“, wenn das Tempo eher gemässigt und der Character ernst ist, bei schnellerem Tempo „Pyrrichius“ und sie klingt folgendermassen:

Das nächste Beispiel zeigt den „Jambus“.

 

Auch hier wird die Gerüstnote in zwei Noten geteilt, wobei die erste kurz und die zweite lang ist: 

 

Die Umkehrung des Rhythmus vom Jambus bietet der „Trochaeus“:

 

Der „Dactylus“, der seinen Namen aus dem Griechischen Wort für „Finger“ hat, besteht aus einer langen und zwei kurzen Noten, so wie die drei Glieder eines Fingers: 

 

Die Umkehrung vom Daktylus ist der „Anapäst“: 

Wenn man eine Note in drei gleiche Teile teilt, erhält man den „Tribrachys“:

 

 Natürlich gibt es noch weitere rhythmische Variationsformeln, diese hier stellen eine Auswahl derer dar, die sich für den Anfang gut eignen.

 Melodische Variationsformeln

 

 

 

Ebenso geht es mit den melodischen Versfüssen, die ich Ihnen nun präsentieren möchte.

Wie der Name bereits verrät, liegt hier der Fokus auf der Veränderung im Raum, also der Tonhöhe und nicht mehr nur auf der Zeit, also dem Rhythmus. 

Es werden zusätzliche, spannung-erzeugende, „harmoniefremde“ Töne zu den bestehenden hinzugefügt.

 

Auch die melodischen Variationsformeln brauchen natürlich einen Rhythmus.
Sie sind daher beliebig mit den rhythmischen Variationsformeln kombinierbar. 
Ich habe in den Beispielen meist die schlichteste Form - Spondäus und Tribrachys - gewählt.

 

Die erste melodische Variationsformel ist die sogenannte

„Superjectio“. Hierbei wird einer Note eine weitere Note im Sekundabstand sozusagen „übergeworfen“.Diese Formel kann auch als „Accent“ oder „Hyperbole“ bezeichnet werden.

In meiner Methode verwende ich, um diese Variationsformel auszureizen auch andere Intervalle als die Sekunde zum „Überwurf“.

Die nächste Variationsformel ist die „Subsumptio“, die ähnlich wie die Superjectio funktioniert, nur dass die hinzugefügte Note in diesem Fall nicht übergeworfen wird, sondern von unten kommt.

 

Die „Anticipatio“ ist die „Vorwegnahme“ der folgenden Note:

 

Die „Wechselnote“ bildet einen Wechselschritt auf- oder abwärts auf einer Note:

 

 Die letzte Variationsformel, die ich präsentieren möchte, ist der „Transitus“ - also der „Durchgang“. 


In diesem Beispiel mit stufenweise absteigenden Noten wird diese Variationsfigur erreicht, indem man zunächst mittels Subsumptio (aufwärts entsprechend Superjectio) einen Terzsprung kreiert, auf welchem dann der Durchgang angewendet wird.

 

Durch meine Unterrichtspraxis hat sich gezeigt, dass dies die zentralen Elemente und Kategorien sind, auf die eine Improvisationslehre gründet. Entscheidend ist, dass man in der Lehre eine angemessene Balance zwischen systematischer Überschaubarkeit und materialreicher Differenziertheit findet.

Passacaglia 

 

 

Da ich meine Methode anhand der barocken Passacaglia vorstellen möchte, werde ich jetzt einige Worte zur Passacaglia sagen.

 Die Passacaglia findet ihren Ursprung in einem spanischen Volkstanz.

 

Anfang des 17. Jahrhunderts beginnt sich die Passacaglia, zunächst in Italien, als Gattung in der komponierten Kunstmusik zu entwickeln und breitet sich während der barocken Epoche über ganz Europa aus.

 

Es handelt sich um eine Tanz-, bzw. Variationsform, die meist im Dreiermetrum komponiert ist und auf einem Ostinato-Bass basiert, wobei das Bassmodell oft nicht strikt beibehalten, sondern im Laufe des Werkes mehr oder weniger modifiziert wird.

 

Als häufigstes, aber nicht einziges, Bassmodell findet sich ein absteigender Tetrachord  mit der Stufenfolge:

1 - 7 - 6 - 5 in Moll, also den ersten 4 Tönen der abwärtsgerichteten melodischen Molltonleiter.

Dieses Bassmodell ist es, was die moderne Modell-Theorie mit dem Ordnungsbegriff „Passacaglia“ bezeichnet.
Im folgenden spreche ich von Passacaglia in diesem Sinne.

 

Typisch für ihre Form ist eine Gliederung in gleichlange, geradetaktige, durch Kadenzierung deutlich abgegrenzte Perioden, die meist 4 - oder 8 - taktig sind.

 

Die Grenzen zur eng verwandten Chaconne sind fliessend und schon seit jeher wird fleissig diskutiert, wie sich die beiden Formen nun genau  voneinander unterscheiden… 

Warum Passacaglia als Einstieg?

 

 

Ich möchte an dieser Stelle kurz erläutern, warum ich die Passacaglia als Ausgangsbasis für meine Präsentation meiner Improvisationsmethodik gewählt habe:

 

Wir haben mit der Passacaglia, insbesondere mit dem von mir ausgewählten beliebten Ostinato-Bass des fallenden Tetrachords ein kurzes, schlichtes Bass-Modell als Grundlage, das vergleichsweise überschaubar ist, leicht zu merken und sich dadurch auch für Einsteiger hervorragend eignet.

 

Der abfallende Tetrachord eignet sich gut für die Improvisation, da er sowohl harmonisch als auch kontrapunktisch mit simplen Mitteln ausgesetzt werden kann. 

 

Man kann durch die Oktavregel die einfachsten Harmonisationen auswählen, aber auch für die barocke Zeit extravagante Varianten finden.Das Modell ist klar strukturiert mit einer Kadenz am Ende jedes Durchgangs, was es auditiv und spieltechnisch sehr einprägsam macht.

 

Der repetetive Charakter, welcher durch die Ostinato-Form entsteht, ermöglicht systematisch-progressive Arbeit, welche die Grundessenz meiner Methode darstellt. 


Trotz der Schlichtheit des Modells sind vielfältige Ausprägungen möglich, die für Variation und ein breites Spektrum an Lernstoff sorgen.

 

Darüber hinaus gibt es zahlreiche unterschiedliche Beispiele in der instrumentalen Literatur, die uns als Inspirationsquellen dienen können.

 

Eine Liste mit einigen repräsentativen Werken finden Sie im Skript (welches Sie am Ende der Seite vollständig herunterladen können).

Passacaglia - Analyse

 

 

Ich möchte nun anhand einiger Übungsbeispiele zeigen, wie man konkret mit den gezeigten Variationsformeln an der Passacaglia arbeiten kann.

Hier sehen Sie noch einmal den Passacaglia-Bass mit den vier typischen absteigenden Noten in d-Moll: ( Beispiel Nr. 1 + 2)

Wie fängt man nun an?

 

Grundsätzlich gehe ich in meiner Arbeit von zweistimmigen Gerüstsätzen aus, die variiert werden und sozusagen unterschiedliche harmonische Füllungen erhalten.

 

Mein Zugang in der Methode ist also ein grundsätzlich kontrapunktischer und kein dominant harmonischer.

Die einfachste und sicherste Art einen Bass kontrapunktisch auszusetzen - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass vermieden werden soll, vollkommene Konsonanzen parallel zu führen - besteht darin, die Oberstimme in parallelen Terzen oder Sexten zum Bass mitlaufen zu lassen:  ( Beispiel Nr. 3 )

Terzen

 

 

Um auf die Arbeit mit den Variationsformeln und diesem Modell einzustimmen und Kopf, Ohren sowie Finger darauf vorzubereiten, habe ich eine ausgedehnte Übungssequenz zu parallelen Terzen ausgearbeitet.

 

Man kann diese zwei- oder einhändig ausführen. 

Die Übung mit einer Hand auszuführen, bereitet gleichzeitig auf das Spielen und Improvisieren in der Mehrstimmigkeit vor.

 

Ich habe diese Elementarübungen systematisch und sehr konkret ausgearbeitet, dadurch sind sie äusserst umfangreich.

Ich werde an dieser Stelle nur einige Auszüge präsentieren, damit Sie sich einen Eindruck machen können.

 

Es handelt sich um eine Fusion aus technischen Fingerübungen und des Trainings der für die Improvisation benötigten Variationsformeln.

 

Beim Improvisieren muss man in der Lage sein, spontan alle möglichen Griff- und Artikulationstechniken abrufen zu können.

Daher werden in der Übung zunächst unterschiedliche Fingersätze und Artikulationen trainiert. 

 

Die Ausführung unterschiedlicher Artikulationen in zwei oder mehr Stimmen ist besonders auf historischen Tasteninstrumenten von enormer Bedeutung, um die Polyphonie klanglich durchsichtig gestalten zu können.

 

Anschliessend werden die Variationsformeln stufenweise angewendet - erst auf die Oberstimme, dann auf die Unterstimme, später auf beide gleichzeitig.

 

Hier sehen Sie einige Auszüge:

Sie können hier die gesamte Übung herunterladen!

Synkopenkette / 2 - 3 - Konsekutive

 

 

Durch eine Verschiebung bzw. Retardierung dieser elementaren Kontrapunkte der Imperfekten Konsonanzen entsteht im Grunde eine Synkopierung.

 

Überträgt man das Prinzip der vorigen Terzen-Übungssequenz hier, entsteht eine neue Sequenz von Übungen, die auch den Umgang mit Dissonanzen und anderen kontrapunktischen Techniken wie z.B. Kanon miteinbezieht.

Um die Übung effektiver zu gestalten, habe ich sie in Ostinatoform angelegt.

 

Aufgrund der Fülle von Möglichkeiten, die es auch bei dieser Übung gibt, zeige ich Ihnen hier nur eine kleine Auswahl. Anfangs stufenweise die rhythmischen Formeln, stellvertretend eine melodische Variation und beispielhaft zwei erweiterte Varianten.

 

Um die Übung pädagogisch noch effektiver nutzen zu können, gibt es einige Takte als „Lückentext“, um die Aufmerksamkeit und das Gehör zu schärfen, aber auch als Werkzeug zur Lern-Kontrolle.

In diesem Fall wäre es auch sinnvoll, alle Möglichkeiten im Eigenstudium zu erschöpfen und die Übungen durch alle Tonarten zu transponieren.

Diminution der Oberstimme

 

 

Nachdem man die Finger und den Kopf auf diese Weise eingestimmt hat, kann man sich an eine erste Variation der Oberstimme der Passacaglia wagen.

 

 Da die Passacaglia meistens im 3er Takt steht, habe ich mich entschlossen, hier im 3/4-Takt zu arbeiten.

Ich beginne mit den Variationsformeln, die sich direkt auf den Dreiertakt übertragen lassen; die anderen Formeln werden verteilt jeweils auf den ersten zwei oder letzten zwei Vierteln des Dreiertaktes angewendet.

 

Da der gesamte Katalog der Übungssequenz mehr als 20 Seiten umfasst, kann ich Ihnen hier nur eine kleine Auswahl daraus vorstellen.

 

(Der Rest folgt in Kürze...) 

Harmonisation des Tetrachords

 

Nachdem man diese einfache Aussetzung in parallelen Terzen trainiert hat,  kann man sich an dreistimmige Aussetzungen wagen, um die kontrapunktischen Ideen auch harmonisch eindeutig umzusetzen.

Wie Sie sehen können, habe ich hier einige mögliche Harmonisationen des Passacaglia-Basses notiert.

 

Da es mir in dieser Präsentation mehr um die generelle Arbeits- und Herangehensweise geht und weniger um die erschöpfende Auslegung aller Möglichkeiten, einen Passacaglia-Bass auszusetzen, zeige ich hier nur eine Auswahl, die die wesentlichen harmonisch-kontrapunktischen Varianten dieses Satzmodells wiedergibt.

 

Alle Beispiele beginnen hier mit der Tonika und ende auf der Dominante. Andere Lösungen wären durchaus denkbar - wie zum Beispiel der Beginn einer Variation auf einem Sextakkord - aber ich möchte hier auf die zentralen Standardvarianten, von denen sich gewissermassen alle anderen ableiten lassen, eingehen.

 

Ich beginne mit der Aussetzung in Sextakkorden, zunächst herkömmlich, dann chromatisch variiert. 

Es folgt die Einfügung einer Dissonanz - der Septime - und die Ausführung als 7-6-Konsekutive und deren Varianten.

Ab Takt 33 zeige ich das „5-6-8“-Modell, quasi die zentrale harmonisch-kontrapunktische Variante zur natürlichen Harmonisierung der Passacaglia.

 


Danach folgt, quasi davon abgeleitet - das „3-4-6“ - Modell und anschliessend jenes deduzierbare Modell mit dem autonomen „Sekundarkkord“.

 

Am Ende folgt schliesslich jene idealtypische Harmonisierung - vierstimmig - im Sinne der Oktavregel, in der sich die Klänge gleichsam schon von ihren kontrapunktischen Ursprüngen emanzipiert haben.

Verwechslung des „5-6-8“-Modells

 

 

Nehmen wir eines der Aussetzungs-Modelle heraus, um es genauer unter die Lupe zu nehmen und für die Improvisation praktisch zu trainieren.

 

 Hier sehen sie das dreistimmige „5-6-8“-Modell in seinen 6 Kombinationen.

 

Um ein Modell wirklich zu verinnerlichen und in der Improvisation flexibel praktisch anwenden zu können, ist es sinnvoll, es in allen möglichen Variationen zu trainieren.

 

Das schliesst die gezeigten 6 Kombinationen sowie die Anwendung aller möglichen rhythmischen sowie melodischen Variationsformeln ein.

Die gleiche Arbeit empfiehlt sich auch mit den anderen gezeigten Aussetzungs- Modellen durchzuführen, wie z.B. mit der 7-6-Konsekutive.

Andere Bassverläufe

 

 

Mit dem abschliessenden Beispiel von Johann Philipp Krieger komme ich nocheinmal auf den Anfang meiner Präsentation zurück.

 

Krieger bezeichnet hier etwas als „Passacaglia“ was die moderne Modelltheorie als „Romanesca“ bezeichnen würde. 

Unsere modernen musiktheoretischen Ordnungsbegriffe - so ruft es einem in Erinnerung - sind eben nicht mit den historischen, derer sie sich bedienen, identisch.

 

Auch die historisch informierte Improvisationslehre ist ein Konstrukt der Gegenwart.

 

Aber wir können aus dem Beispiel noch mehr lernen:

 

Die moderne Modelltheorie trennt die beiden Beispiele in zwei unterschiedliche Modellerscheinungen, weil sie das im Verlauf des 18. Jahrhunderts sich verfestigende Dirigat der Basslinie - bewusst oder unbewusst - übernommen hat.


Was Kriegers und die sogenannte Standardpassacaglia verbindet, ist jener absteigende Stufengang im Tetrachord-Ambitus, jene kontrapunktische  Urfigur der melodischen Linie, die auch Ausgangspunkt meiner Methode ist.

Ich habe für Sie noch eine Liste mit repräsentativen Werken aus der barocken Zeit zusammengestellt, die Sie im Skript finden.

 

Die Literaturliste zum Thema finden sie ebenfalls im Skript.

Zur Demonstration, wo die Arbeit schliesslich hinführen kann und als Abschluss meiner Präsentation möchte ich nun gerne Ihnen noch beispielhaft eine Passacaglia präsentieren, die ich für zwei Tasteninstrumente komponiert habe.

 

Die Noten, sowie eine MIDI-Audio-Version, finden Sie hier:

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Passacaglia in d-Moll für Hammerflügel u
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